Indien… ? Das habe ich mir jaaaanz anders vorgestellt!

 

Jetzt sind wir da! Nach 8 Wochen auf den Motorrädern, annähernd 11.000 Kilometern und 15 Ländern, passieren wir am 21. Januar 2018 die Grenze zu Indien.

 

Deutschland – Tschechien – Österreich – Slovenien – Kroatien – Bosnien Herzegowina – Montenegro – Albanien – Mazedonien – Griechenland – Türkei – Georgien – Aserbaidschan – Iran – Pakistan – Indien

 

Etwas verspätet starten wir mit unserem pakistanischen Freund Imran von Lahore Richtung indische Grenze. In Lahore herrscht das übliche Verkehrschaos und mein Motorrad legt sich an diesem Tag gleich zweimal auf die Seite. Vermutlich will es noch in Pakistan bleiben… ? Die fast 300 kg zu halten, wenn sie einmal anfangen zu kippen, versuche ich erst gar nicht. Dann lieber fallen lassen und auf die 20 freundlichen Helfer warten, die sofort angestürzt kommen und überall dran zerren, um das Bike wieder in Position zu bringen.

Auf den letzten Drücker werden wir kurz vor der Grenzschliessung durch die Posten geschleust, kein Grenzgänger ist mehr da, ausser uns. Wobei das nicht ganz stimmt, denn tausende Inder und Pakistani pilgern zur spektakulärsten Grenzschließungszeremonie der Welt, die jeden Tag um 16:00 mit einer grotesken Parade stattfindet. Etliche Busladung werden dahin von beiden Seiten organisiert. Nun ja – was die Zuschauer dann an diesem 21. Januar als erstes zu sehen bekommen sind zwei verrückte Mottoradreisende, die verspätet und abgehetzt noch durch den Grenzzaun schlüpfen.

 

Rudolf und Jana knatterten also mitten durch die Riesenarena – umjubelt von Pakistani und Indern.

Das ist mal ein Empfang, wie er unser würdig ist ;-)) Wir können es kaum fassen wieder einmal so ein Glück zu haben. Wäre die Grenze nämlich pünktlich geschlossen worden, hätte das bedeutet eine Nacht im Grenzgebiet zwischen Pakistan und Indien zu campen. Und darauf hatten wir absolut keine Lust.

Amritsar ist der erste indische Ort nach der Grenze. Wir fahren auf mehrspurigen, asphaltierten Straßen, die Menschen tragen Jeans und westliche Kleidung. Ein Überfluss an Hotels und Unterkünften aller Kategorien. Kaum ein Mann in Kaftan ist mehr zu sehen. Die Mopeds sind größer und nicht mehr zu 99% die quirligen 70er Hondas wie in Pakistan. Und Frauen fahren Mopeds!!! Das Straßenbild wird von den Sikhs beherrscht – die Männer mit den bunten Turbanen. Der Sikhismus hat hier mit dem goldenen Tempel sein religiöses Zentrum. Den sehen wir uns natürlich an und spüren die spirituelle Energie an diesem heiligen Ort, der für die Sikhs gleichbedeutend ist wie der Vatikan für die Katholiken oder Mekka für die Moslems.

 

 

Und auch hier kann man die westlichen Touristen an einer Hand abzählen. Die Inder sind zwar auch noch an unsern Bikes interessiert – jedoch gibt es keine Menschenansammlungen mehr und die Selfis werden deutlich weniger. Anfangs ist diese Ruhe etwas ungewohnt für uns. Und wir können nach wochenlangen Selfis gut damit sein ?

 

Jedoch fehlt uns das einfache und ursprüngliche Indien. So wie unsere Vorstellungen und Erwartungen waren. Wir vermissen jetzt Pakistan mehr denn je – welches soooo besonders ist!!! Uns fehlen die Bilder, die einer Filmkulisse gleichen. Hier sieht vieles schon sehr westlich aus. Oder liegt das daran woher wir kommen – aus Pakistan…?

Dennoch bleiben wir drei Nächte in Amritsar – und wollen erst einmal durchatmen… inne halten… Danke sagen!

Rishikesh – Blick auf den Ganga, der göttlichste aller Flüsse

 

Zwei Gedanken und Gefühle, die in den ersten Tagen hier in unseren Köpfen kreisen:

Diese Reise lehrt uns zwei ganz wichtige Regeln:

1.) Lasse los von Erwartungen!

2.) Und der Weg ist das Ziel!

An keinem Punkt der Reise wird mir das so klar wie hier – am Ziel unserer Reise. Jetzt sind wir da! Alles haben wir erreicht. Aber wo bleibt das Glücksgefühl???!!!

Ich fühlte auf dem Weg hierher – das Ziel immer vor Augen viel intensivere Glücksgefühle. Oft schon habe ich davon gehört, dass Menschen eine tiefe Leere spüren, wenn sie auf dem Gipfel ihres Erfolges stehen: Boris Becker als er mit 17 Jahren Wimbledon gewann und Reinhold Messner als er den Gipfel erreichte… und.. und… . Und nun kommen mir die Tränen. Auch vor Glück – und bei dem Gedanken daran wie wundervoll jeder dieser kleinen Schritt bis hierhin gewesen ist. Wie sehr haben sie uns erfüllt – die Begegnungen mit den Menschen in den unterschiedlichen Ländern, mit ihren unterschiedlichen Religionen.

Das Ziel jetzt erreicht zu haben erfüllt mich unerwarteterweise nicht so sehr. Das macht mich traurig und nachdenklich. Und ist das vermutlich eine weitere Botschaft dieser Reise für mich…?

 

Und nun? Fünf Wochen liegen noch vor uns. Wir haben keinen wirklichen Plan. Ursprünglich wollten wir in den Süden Indiens über Rajasthan. Am Ende sollten die Motorräder von Mumbai aus nach Deutschland verschifft werden. Jetzt wollen wir jedoch noch einmal neu überlegen…

 

Rishikesh – am Ufer des Ganga

 

Nepal liegt so nah und wir erfahren dass es einfacher und preiswerter ist die Motorräder von Kathmandu per Flugzeug zu verschiffen als von Mumbai. Wir wollen weiterhin typische, touristische Regionen in Indien vermeiden. Aber geht das heute überhaupt noch?? Werden wir diese Bilder wieder finden, die uns in Pakistan so in den Bann gezogen haben…?

 

Sadhus -Spirituelle Sucher in Rishikesh

 

Indien ist einfach sooo anders als ich es mir vorgestellt – und erwartet hatte. Wir fahren an Mac Donalds & Co. vorbei, der Verkehr ist fast langweilig gegenüber dem in Pakistan, die Ortschaften sind moderner. Einige Erwartungen werden jedoch erfüllt: Müll überall, wohin man sieht, die Kühe auf den Straßen – und der Durchfall für einige Tage. Bei mir mit heftigen Erbrechen. Das geht jedoch vorüber und wir betrachten es als spirituelle Reinigung bevor wir die heiligen Stätte wie Haridwar und Varanasi besuchen dürfen.

 

Rishikesh mit seinen Hängebrücken. Über diese sind wir auch mit den Motorrädern geknattert.

 

Und wir wollen loslassen von Erwartungen und uns neu einlassen…

Die neue Route steht nun fest: Von Rishikesh über Nepal nach Varanasi.  Den Süden Indiens haben wir gestrichen. Zu groß sind die Entfernungen, um alles zu sehen – und zu erleben. Wir müssen wählen und entscheiden uns für die Berge und gegen den Strand… Es ist einfach zu verlockend den Himalaya zu sehen – jetzt wo wir quasi vor der Tür stehen. Wir hoffen, dass die Temperaturen so um die 15-20 Grad am Tage bleiben. Damit können wir gut sein…

Wir werden berichten wie es weiter geht. Und so wird es noch einen Beitrag in diesem Blog für Euch geben – Inschallah …

 

Shiva mit dem Dreizack – steht für Zerstörung und Neubeginn …

 

 

7 Antworten auf „Indien… ? Das habe ich mir jaaaanz anders vorgestellt!“

  1. Hey Jana und unbekannterweise Hallo Rudolf ; ) erstmal lieben Dank Jana für dein Hinweis auf dein neuen Blogeintrag über Whats App. Ich habe dein Blog am Freitag über Parkistan und gerade eben, den Einzug durch die Arena (hört sich nach Superstars an) nach Indien verfolgt. Jedes mal wenn ich deine Bilder und deine Eindrücke lese, übermannt mich ein Gefühl von Schwermut, bis hin zu tiefsten Respekt. Diese Eindrücke reichen bestimmt für den Rest des Lebens…
    Ich wünsche Euch weiterhin alles Glück dieser Erde, tolle Begebenheiten und sensationelle Erfahrungen auf diesem Trip weiter durch Indien und seinen außergewöhnlichen Menschen. Auch wenn es nach deine Aussagen doch schon sehr westlich orientiert ist, die Kultur wird doch schon ihre Vorzüge haben.
    Das mit dem Magendarm erledigt sich bestimmt auch bald von selbst, ist reine Gewohnheit ; )
    Jana alles Liebe, alles Gute haltet durch und ich freue mich auf deinen nächsten Blog (finde den Knutschsmiley nicht)

  2. Alles hat seinen Sinn und ist für irgendwas gut. Und Eure Erkenntnis wird Euch für immer prägen und hat auch mich nochmal zum Nachdenken angeregt. Ihr werdet jetzt sicher noch richtig für die Umplanung belohnt. Ich freue mich schon auf den nächsten Bericht!

  3. Ihr Lieben,
    phantastisch euer Bericht und Eindrücke. Auch die letzte Etappe wird bestimmt erfolgreich und beeindruckend sein. Der Weg ist das Ziel-besonders wenn man die Reise als Etappe versteht, nicht als das Ende eines Traumes. Viel Glück
    ??

    Seid ihr denn jetzt in Nepal und habt ihr die Lösung für die Mopeds per Luftfracht?

    ALLES Gute und Liebe
    Bu&Ga?

  4. Man kommt eben nie an. Immer treibt einen die Sehnsucht irgendwo hin oder man glaubt woanders glücklicher zu sein als dort, wo man sich gerade befindet. Wir sind ewig Getriebene. Ich hätte mich auch für Nepal und den Himalaya entschieden, da möchte ich auch mal hin. Aber, bei aller Sehnsucht versuche ich mich aber immer wieder auf die positiven Dinge hier in unserem Land zu fokussieren. Das Fremdartige in der Ferne fasziniert mich zugegebenermaßen wahnsinnig. So bin ich auch sehr fasziniert von Eurem Reisebericht und denke, ja das will ich auch. Doch dann erschrecke ich mich vor mir selber, weil ich leider das Gute vor der eigenen Türe nicht mehr sehen kann. Und so geht es vielen und der kollektive Sog zieht uns alle weiter nach unten, bis wir in ferne Länder reisen, wo die Menschen sehr arm und unterdrückt sind und dann fragen wir uns, warum diese Menschen so viel glücklich zu sein scheinen als wir selbst es sind, wo wir doch scheinbar alles haben. Vermutlich lenken uns all die toten Dinge, die uns umgeben, zu sehr von dem ab, was wirklich wichtig ist im Leben: Die Beziehungen zu unseren Mitmenschen. Das wirklich Gute ist, wir können das alles zum Besseren wenden, überall auf der Welt. “Eine kleine Reise ist genug, um uns und die Welt zu erneuern.”
    (Marcel Proust). Ich freue mich auch auf Euren nächsten Reisebericht.

  5. Hey ihr Lieben. Mit heidem Respekt verfolge ich nun Eure Reise seit der ersten Minute und bin immer wieder absolut geflasht über Eure Eindrücke, Erlebnisse, Erfahrungen…

    Nach nunmehr fast 2 Monaten Reisezeit ziehe ich den Hut vor soviel Mut, Kraft, Energie u. Ausdauer- wie ihr noch so sattelfest auf Euren Bikes sitzen könnt, ist mir da mittlerweile ein absolutes Rätsel ?

    Euer Blog zeigt mir auf, wie wenig „real Life“ man doch aus den einzelnen Ländern kennt, lädt mich wieder auf ein emotionales Auf und Ab ein, welches ich persönlich auf meiner Asienreise 2011 erfahren durfte. Eingestaubte Erinnerungen kehren zurück, lassen kurz innehalten in dem rasenden Alltag hier im Kokon von Deutschland. Immer wieder enden solche Erinnerungen in der Gewissheit: uns geht es so gut hier und doch klagt man immer wieder mal auf hohem Niveau.

    Solch eine Reise erdet ungemein. Bringt einen ganz schnell sowas von auf den Boden der Tatsachen zurück.

    Mit absolutem Interesse freue ich mich immer wieder auf Eure Beiträge im Blog, danke, dass ihr uns so daran teilnehmen lasst und somit auch ein wenig Einblick in die ganz andere Welt da draußen gewährt.
    Nun wünsche ich Euch aber erstmal eine gute Weiterreise, bleibt gesund und unfallfrei und taucht ein ins nepalesische reale Leben mit all seinen Facetten – bin gespannt, mit welchen Impressionen ihr dieses Land durchreisen und verlassen werdet.

    LG und bis bald ?

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