Wenn jemand eine Reise tut …

„Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen.“ behauptete der deutsche Dichter Matthias Claudius zu Recht.

Ein Zitat, das mir bereits meine Großmutter beigebracht hat – damals in der DDR, als das Reisen nur sehr eingeschränkt möglich war. Ich erinnere mich noch an den Wehmut in ihrer Stimme, denn ihr selbst war durch die damaligen Umstände das Reisen verwehrt.

Ich bin heute überzeugt, dass diese Sichtweise und die Prägung durch meine Eltern dazu beitrugen, dass das Reisen in ferne Länder einen so hohen Stellenwert in meinem Leben hat. Wir machten für eine DDR-Familie schon außergewöhnlich viele Reisen im Rahmen des damals möglichen. Ich wuchs mit den Erzählungen von Peter Scholl-Latour und Reinhold Messner auf.

Ähnlich erging es Rudolf. Eine seiner Lieblingsbeschäftigungen als Kind und Jugendlicher war es sich Länderkarten und Atlanten anzusehen. Dem Umstand haben wir heute zu verdanken, dass Rudolf ein Meister im Kartenlesen ist und für jedes unserer Reiseländer analoges Kartenmaterial mitführt. Er erfreut sich jeden Tag aufs neue daran “so tolle Landkarten zu besitzen”.

Ich selbst als bekennende Navigationslegasthenikerin hätte ohne Navi nicht einmal die Stadtgrenzen von Kapstadt gefunden. Da wäre die Reise sehr schnell vorbei gewesen. Meine Jungs wissen wovon ich spreche ….

Wir treffen hier in Afrika oft Gleichgesinnte, Backpacker wie den 33jährigen David aus Berlin der 1/4 seines Polizeigehaltes für Fernreisen ausgibt. Mit ihm machen wir in Uganda das faszinierende Gorilla-Trekking.

Oder Aussteiger, wie den 63jährigen Wilfried, der tropische Landwirtschaft studiert hat und der seit 30 Jahren in Afrika unterwegs ist – anfangs übrigens mit einer Yamaha XT 500.  Motorradreiseinsider wissen, dass dieser unverwüstliche „Reiskocher“ einer DER Reiseenduro-Klassiker ist. Und es war Rudolfs erstes Motorrad mit dem er Sommer wie Winters in Würzburg zur Vorlesung knatterte. Wilfrieds Augen glänzen, wenn er uns seine Geschichten über seine ersten Erlebnisse in Afrika erzählt.

Wilfried bei unserer Verabschiedung. Wir haben grosse Hochachtung vor seinem Lebenswerk. http://www.amasiko.org/de
Ein typisches Bild auf unserer Reise – Kinder, die geschickt mit alten Reifen spielen

Sportstunde des Kindergartens im Dorf
Das Haus einer Lehrerin: “I’m teacher Grace” empfängt sie uns freundlich und zeigt uns ihr Haus.

Hier wird gerade das Mittagessen eingenommen – eine Art Hirsebrei

Seit über 15 Jahren lebt er nun in Uganda, hat am Lake Bunyonyi eine private Dorfschule gegründet und betreibt dort ein sehr liebevolles Ökoressort auf einer Halbinsel, in dem wir drei Nächte verbringen dürfen. Ganz einfache Holzhütten in traumhafter Hanglage mit Außentoilette und kaltem Duschwasser. Obwohl ich in „gewissen Umständen“ darüber schimpfe, liebe ich es auf Reisen auch sehr, mich so in meinem Komfort beschränken zu müssen.

Kalt duschen ist sowieso gesünder – zu Hause in Deutschland bin ich hingegen eine bekennende „Warmduscherin“ ;-)) Mit dem Haarewaschen (meiner langen Haare) komme ich dann trotzdem hier ein wenig in den Frustbereich. Deshalb ist es für mich wichtig, wenigstens alle zwei Wochen eine Unterkunft zu finden, die warmes Wasser bietet. Denn nach 8 Wochen auf der Straße und zum Teil im staubigen Offroad, blättern die äußeren Schichten bereits etwas.

Wenn dann gar kein fliessend Wasser mehr vorhanden ist und es erst in Wannen heran geschafft werden muss und obendrein der Strom nur unregelmässig zur Verfügung steht, fühlen wir uns richtig mitten drin in Afrika – so wie hier in der sehr einfachen Behausung am Fuße der Virunga Mountains in Uganda.

Wer sich von Euch also nach den ersten Blogbeiträgen und Videos über meine perfekt manikürten Fingernägel und gestylten Haaren staunend und wertschätzend geäußert hat, dem kann ich nun versichern: DAS ändert sich langsam aber beständig.

Eine Freundin und Kollegin von Rudolf fragte uns vor ein paar Wochen, ob ich denn CHANEL als Sponsor gewinnen konnte. Wir mussten sehr darüber schmunzeln und schickten ihr daraufhin gleich mal dies passendes Foto ;-).

Nicht gerade das typische Equipment einer durch Afrika fahrenden Motorradfrau … ;-))

Wie gesagt, das ist nun ein paar Tage her und nicht nur die Farbe auf den Fingernägeln beginnt zu schwinden. Trotz Rudolfs Überredungskünsten, mich doch mal einem hiesigen Beauty Studio anzuvertrauen, möchte ich doch lieber keine Experimente wagen und warte ab, bis ich wieder zum Studio meines Vertrauens gehen kann. Die Termine dafür im Mai stehen schon fest im Kalender ;-))))

So jetzt genug von Beauty, Nagellack und CHANEL berichtet – kommen wir zurück zu den anderen wichtigen Dingen auf dieser Reise.

Nein eins noch: Mir ist es auf dieser Reise wichtig, nicht ständig in Motorradklamotten auf Fotos und Videos zu erscheinen. Es interessiert vermutlich nur wenige von Euch, wie schön verschmutzt man im Gesicht nach dem Offroad aussehen kann …

Mein “dunkler Bart” entstand nach nur 30 min im Pistenstaub fahren …

oder wie Lehm und Dreck die Stiefel und Schutzkleidung verzieren. Für die wenigen Interessierten zeige ich auch gern mal diese Bilder … 

Motorradklamotten an Frauenkörpern finde ich persönlich extrem unsexy. Es muss jedoch wegen der Sicherheit sein – aber bitte nicht so oft auf Fotos. Und ich bin der Ansicht, dass Mann (oder Frau) nicht zwingend ins safarigrüne Outfit steigen muss, nur weil man ein bisschen in Afrika unterwegs ist. Kein Einheimischer trägt so etwas. Nur die westlichen Touristen erkennt man an diesem Einheitslook.

Die afrikanischen Frauen – auch wenn sie noch so arm sind – in ihren bunten eleganten Kleidern sind da ein Vorbild für mich. Deshalb habe ich im Gepäck Platz geschaffen für zwei Kleider, einen Rock und zwei Blusen. Für 15 Wochen doch verhältnismässig wenig. Alle Kleider habt ihr auf den Fotos und Videos bereits gesehen. Mehr Fashion-Abwechslung kommt also in den nächsten Beiträgen (leider) nicht mehr… 😉 

Jetzt aber mal zur eigentlichen Reise …

Uns faszinieren immer wieder diese Lebensgeschichten, wie die von Wilfried oder der deutschen Familie, mit den Eltern David und Christina, die mit ihren drei kleinen Mädchen im Vorschulalter für drei Jahre nach Uganda zogen, um an einem Entwicklungshilfeprojekt mitzuwirken.

David und Christina mit ihrer Familie

Ich bin überzeugt, diese Erfahrung wird den Kindern und den Eltern mehr für ihr Leben mitgeben, als vieles, was in der Schule gelehrt wird. Wir treffen die Fünf am Lake Bunyonyi. Als ich die drei Mädchen mit den wunderschönen Namen Mathilda, Clara und Helene betrachte, denke ich viel an meine Jungs Gustav und Franz und erinnere mich an unsere Rucksackreisen durch Thailand, Laos und Vietnam. Sie waren damals auch noch so klein und ich habe höchsten Respekt und Bewunderung vor den Eltern, die solche Reisen mit Kleinkindern unternehmen. Ich habe das nie bereut, auch wenn es streckenweise sehr anspruchsvoll war. Diese Erlebnisse bleiben jedoch fürs ganze Leben in der Seele der Kinder integriert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Kinder mit diesen Erfahrungen jemals rassistisch werden oder ängstlich gegenüber Fremden. Unbewusste Angst ist etwas sehr Einschränkendes – und Unbekanntes erzeugt Angst. Es ist so schön, immer wieder mitzuerleben, wie aufgeschlossen und neugierig Gustav und Franz sind.

Und wie viele Menschen gibt es in der westlichen Welt, die Angst vor Afrika haben? –  „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann“. Wer kennt nicht das danach benannte Fangenspiel aus seinen Kindertagen? Und ich kann Euch versichern – umgekehrt existiert diese Angst ebenfalls. Rudolf erlebt es mehrfach, dass kleine Kinder hier weinend und schreiend davon laufen, wenn er seinen Helm abnimmt und sein weißes Gesicht sichtbar wird.

Wenn wir am Straßenrand zwischen den Dörfern spontan mit unseren Bikes anhalten, rennen die Kinder (und auch gelegentlich die Erwachsenen) manchmal davon. Wenn wir dann freundlich winken, unsere Helme absetzen und „Hello, how are you?“ rufen, dann wird die Stimmung gleich entspannter.

Und es gibt auch andere Situationen, bei denen beispielsweise plötzlich um die 30 Männer um uns herumstehen, unsere Motorräder bewegen wollen, den europäischen Komfortabstand beim Sprechen unterschreiten und in ernster Mimik in ihrer Stammesprache auf uns einreden. Diese Szenerie wirkt erst einmal bedrohlich und für uns Muzungus ungewohnt. Mittlerweile haben wir uns daran gewöhnt und wissen: „Sie meinen es nicht so, wie es uns erscheint“.

Nicht bedrohlich, sondern sehr hilfreich waren diese Jungs bei dem Ausbeulen einer Delle an Rudolfs vorderer Motorradfelge
Hier lässt man gerne für uns die Muskeln spielen …Wieso schaut eigentlich jeder auf seine Oberarme statt auf die Delle in der Felge… ? 😉
Ein Paradies für Freunde exotischer Früchte
Fliegende Händler an allen grösseren Verkehrsknotenpunkten

Bestimmten Situationen versuchen wir jedoch aus dem Weg zu gehen: Dorfkreuzungen, an denen sich viele Männer aufhalten, die oft schon tagsüber alkoholisiert sind und uns überreden wollen – zu was auch immer. Wir können es häufig nicht verstehen. Wenn dann die Hände an unsre Lenker greifen und das Motorrad außer Kontrolle zu geraten droht, dann gibt‘s eine kräftiges Stoppsignal mit der BMW-Hupe und der konsequenten Ansage „Don´t touch my bike, please!!!!“. Das Hupen schafft erst einmal Respekt, denn gehupt wird auf Afrikas Straßen so gut wie nie. Ganz im Gegensatz zu asiatischen Länder – allen voran Indien. Wenn wir da hupten, interessierte das NIEMANDEN. Denn da wird ständig und immer gehupt. Hier in Afrika ist das anders – und für uns sehr hilfreich, wenn wir auf uns aufmerksam machen wollen.

Acht Wochen sind wir bereits in Afrika unterwegs, mehr als 9.000 Kilometer liegen hinter uns. Und diese 9000 Kilometer bescherten uns eine reiche Vielfalt an Erlebnissen. Selbst wenn die Reise heute zu Ende wäre – die Fülle von Eindrücken und die Intensität der Erfahrungen reichen jetzt schon aus, um zu sagen „Es hat sich wirklich gelohnt.“

Und dabei feiern wir in dieser Woche erst Bergfest unserer Afrika-Tour. Wir schütteln oft mit den Köpfen und bestätigen uns mit einem seligen, dankbaren Lächeln: „Was kommt jetzt noch alles? Ist es überhaupt noch steigerungsfähig? Wie reich werden wir hier beschenkt…?“

Kenia ist unser 7. Land nach Tansania. Genau wie zu Tansania, hatte ich zu Kenia keine konkreten Vorstellungen. Es war in meinem Kopf bisher immer ein Land, wo man als Pauschaltourist ganz gut (und wohl auch sicher) Safaris machen kann. Mein Bedarf an Safaris ist nach den Erlebnissen in der Serengeti erst einmal gestillt. Uns schaudert noch heute, wenn wir an das stundenlange, passive Durchschütteln erinnert werden. Dann doch lieber eine ordentliche Offroadstrecke mit Adrenalinkick, in der wir stehend auf unseren Bikes die Potholes (Schlaglöcher) abfedern können.

In Kenia hatten wir zwei Kontakte im Voraus geknüpft. Zunächst einmal den Besuch im ältesten und größten Slum von Nairobi. Ndunda, früherer Fußballnationalspieler Kenias und ehemaliger Alumni vom ITK Leipzig ist von Anbeginn unsere Reise sehr daran interessiert, dass wir ihn in seiner Heimat besuchen und bei ihm wohnen.

Ndunda und ich zeigen vor seinem Haus die Fahne des ITK Leipzig

Diese 24 Stunden – mitten drin – sollten eines der intensivsten und beeindruckendsten Erlebnisse auf unserer Reise werden. Rudolf und ich hatten bisher auf unseren Reisen in Drittweltländer bereits Erfahrungen mit Besuchen in Slums, Townships oder Favelas gesammelt, jedoch es so hautnah erleben zu dürfen, ist für uns beide bisher einmalig. Die unglaubliche Enge zu spüren, die Einfachheit und Extreme der Lebensumstände UND die Fröhlichkeit der Bewohner, beeindruckt uns nachhaltig.

Rudolf steht vor der blauen Blechtür – dem Eingang zu Ndundas Haus in dem 10 Familien zusammen leben. Der Baum, den Ndunda vor 20 Jahren gepflanzt hat, ist sein grosser Stolz.

Ndunda erleben wir als einen unglaublich herzlichen und bewussten Menschen. Für ihn stehen Familienzusammengehörigkeit und das Gemeinschaftsleben ganz oben auf seiner Prioritätenliste. Er ist dort im Viertel so beliebt und bekannt, dass uns das Herz aufgeht, es miterleben zu dürfen.

Oft ist es nicht klar, wer da das Kleinkind trägt: Die grosse Schwester oder die junge Mutter…?

Wir bekamen von ihm im Vorfeld nur eine Google-Standortanzeige im Slum ohne Adressangabe geschickt. Und da stehen wir nun mit unseren schweren Bikes in der Mittagsglut mitten drin im Mathare-Slum. „Hier muss es irgendwo sein“ höre ich Rudolf ins Kom-System keuchen, während ich damit beschäftigt bin meine 250 kg Maschine beim Anhalten auf dem steinigen und schlammigen Untergrund auszubalancieren.

Unser Parkplatz für die Motorräder im Mathare Slum von Nairobi

Sofort sammelt sich eine Traube Menschen um uns herum an – und ohne Einladung wären wir NIEMALS in solche zwielichtigen Ecken gefahren. „Lebensmüde“ wäre da wohl der passende Ausdruck.

Rudolf fragt nach Ndunda – dem „Sports-Teacher“. Mehr wissen wir nicht. Ein kurzes Überlegen und dann fliegen die Arme und als Antwort kommt: „Ah – the big man with the long hair? Yes, we know him.“

Er zeigt nach links und da stand auch schon Ndunda – wie ein Hüne aus der Karibik, größer als alle anderen, mit Sportlertrikot und Dreadlocks. Wir umarmen uns freudig und ich kann es minutenlang nicht fassen, dass wir ihn wirklich in diesem Labyrinth gefunden haben.

Unter großem Jubel werden wir zu seinem Haus begleitet und auf unseren fragenden Blick, wo wir denn unsrer Bikes abstellen können, antwortet er „Just here“ – also direkt auf der Straße. “Okay….”

Und ich versichere Euch, niemals hätte ich im Vorfeld geglaubt, unsere geliebten BMWs ungesichert im Slum stehen zu lassen – und schon gar nicht über Nacht. Aber dort gelten andere Gesetze und heute bin ich überzeugt – NIEMAND hätte gewagt unsere Bikes anzutasten. Alle waren respektvoll und wir spüren welche Rolle die Gemeinschaft in so einem Umfeld spielt.

Unsere Klasse geben wir dann auch direkt vor Ndundas Haustür.

Zahnputzunterricht auf der “Straße” vor Ndundas Haus. Für uns eine ganz neue Erfahrung. Die Geräuschkulisse war eine Herausforderung der besonderen Art.

Am Straßenrand wird gekocht, Wasserkarren werden vorbei geschoben und Müllsammler laden gegenüber Plastikabfälle zum Weiterverkauf ab. Wäsche flattert wie tausend farbige Fahnen an den Häuserfassaden und der Geruch des modrigen Abwassers steigt uns in die Nase. Das sei ein großes Problem im Mathare-Slum, erzählt uns gleich zu Beginn Ndunda, die Verstopfung der oberirdischen Abwassersysteme. Für uns unvorstellbar, in diesen Verhältnissen leben zu müssen.

Ndundas großer Traum ist ein Häuschen im Grünen, wo der ehemalige Fußball-Nationalspieler Sportler und Sporttrainer ausbilden und trainieren kann. Dafür spart er seit Jahren. Das sei auch ein Grund, warum er seit mehr als 30 Jahren in diesem Viertel lebt, nämlich auch um kostengünstiger zu wohnen. Er und seine Familie leben dabei noch verhältnismäßig komfortabel mit drei Räumen: Ein winziges Wohnzimmer, ein Schlafzimmer und ein Zimmer wo die Kinder (Markus 17 und Grace 22) im Doppelstockbett schlafen. In diesem winzigen Kinderzimmer steht auch das gesamte Küchenmobiliar: Ein Gaskocher und ein Küchenschrank. Ich schätze die gesamte Wohnung auf etwa 18-20 Quadratmeter. Darin ist der gesamte Hausstand von 4 Erwachsenen verstaut. Ich sehe beim Reinkommen unzählige Sachen verstaut: Niemals hätte ich irgendetwas wiedergefunden. Unglaublich, welche Logistik dazu gehört, trotz dieser Umstände, für uns ein köstliches Abendmahl vorzubereiten, zu kochen und gemeinsam zu genießen.

Hier haben wir für Euch ein Interview aufgenommen, das unseren Aufenthalt bei Ndunda beschreibt:

Des weiteren macht Rudolf für Euch einen Rundgang durch das Haus von Ndunda. Für mich – auch mit Abstand betrachtet – immer noch unglaublich beeindruckend zu sehen, mit wie wenig Platz die Menschen dort zurecht kommen.

Die meisten Familien im Viertel, so erzählen er und seine Frau Anne uns, müssen mit nur einem Zimmer auskommen – und haben häufig mehr als „nur“ zwei Kinder.

Das 2 Monate junge Mädchen auf meinem Arm lebt mit seiner vierjährigen Schwester und ihren Eltern in einem einzigen Raum, der etwa 7 Quadratmeter misst. Darin steht das grosse Bett, das mehr als die Hälfte des Raumes einnimmt, ein Campingkocher und ein kleiner Schrank mit Küchenuntensilien.

Und genau diese vielen Kinder strahlen uns an und wollen die „Muzungus“ mal anfassen. Keiner bettelt und es ist oft nur das Fehlen der gemeinsame Sprache, wodurch vertiefende Gespräche mit den Slum-Bewohnern beschränkt sind. Aber die Energie ist spürbar. Hier lernen wir wieder, dass vieles ohne Worte gesagt werden kann.

Die Gastfreundschaft berührt uns bis tief in unser Herz und Ndunda bleibt uns als ein fröhlicher, herzensguter Mensch in Erinnerung. Wir glauben auch mittlerweile, dass ihm die Gemeinschaft der dort lebenden Familien wichtiger ist, als das Leben in einem Haus irgendwo in der Anonymität. In seinem Viertel fühlt er sich wohl, da wird er geschätzt und geliebt, die Menschen haben Achtung vor ihm und er spürt, dort kann er etwas bewegen. Mit welcher Liebe und Hingabe er sich um die Förderung des Jungendsports einsetzt, beeindruckt uns schwer. Und kein Alumni auf unserer Reise hat sich bisher so für unser Vorhaben vor Ort eingesetzt wie er und seine Familie. Mir steigen Tränen der Rührung und Dankbarkeit empor, wenn ich an die Stunden in Mathare zurück denke.

In Nairobi wollen wir noch zwei weitere Punkte ansteuern. Zum einen die Jungle Junction, DEM zentralen Treffpunkt für Overlander, also denjenigen, die mit ihren Geländewägen, Unimogs, Wohnmobilen oder Motorrädern Afrika bereisen. Chris, der deutsche Inhaber, wurde uns wärmstens empfohlen und der zweitägige Stopp tut uns in vielerlei Hinsicht sehr gut:Zum einen werden unsere Motorräder professionell gecheckt und gewartet und zum anderen sind wieder etwas westlicher Komfort verfügbar mit warmer Dusche und deutlich mehr Platz für unser Gepäck. Hinzu kommt dass wir auch dort interessante Abenteuerreisende treffen, wie beispielsweise Marc aus der Schweiz, der schon 6 Monate mit seinem liebevoll aufgerüsteten Landrover Defender in Afrika unterwegs ist.

Oder die kleine Anita aus Malaysia. Und wenn ihr meint, dass was wir tun sei schon außergewöhnlich, dann schaut Euch mal bitte den Reiseblog dieser mutigen Rentnerin an. https://www.facebook.com/pages/category/Public-Figure/ANITA-YUSOF-232255970231779/ Sie umrundet bereits das zweite Mal den Globus auf ihrem Minimotorrad – und zwar ALLEIN. Das Motorradfahren hat sie obendrein erst mit über 50 Jahren erlernt. Und das ist für mich wieder der Beweis und der Appell an alle unsere Leser mit begrabenen Träumen: ES IST NIE ZU SPÄT SEINE TRÄUME ZU LEBEN. Carpe Diem!

Diese Worte sind insbesondere an meine Motorradfreunde in Leipzig gerichtet: Auch wenn bisher Eure Bikes durch Familie und Job  viele Jahre in der Garage auf Euch warten mussten – es ist niemals zu spät sie wieder heraus zu holen. 

Was uns noch bei Chris besonders erfreut, ist das meeeeeegaaaageile WLAN – das beste bisher auf der gesamten Reise!!! Allein dafür bekommt er unsere uneingeschränkte Empfehlung. Denn ohne Internet wären solche Blogbeiträge und die Videotrailer nicht möglich. So schneide ich an diesem idyllischen Ort unser zweites Video. An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal von ganzem Herzen für das unglaublich zahlreiche und wertschätzende Feedback bei Euch bedanken.

JA, natürlich hat das etwas mit Selbstdarstellung zu tun – und JA, auch eine gewisse extrovertierte Ader gehört ebenfalls dazu, sich so öffentlich darzustellen. Jedoch machen wir diese Beiträge und Videos in erster Linie für uns selbst, um das Erlebte zu verarbeiten und als Erinnerung in Wort und Bild mit uns zu tragen. Die Idee, das als Blog zu teilen, kam erst aus dem Wunsch vieler Freunde, Familienmitglieder, Kollegen und auch Patienten an unseren Erlebnissen teilhaben zu wollen.

Umso schöner finde ich es, zu erfahren, wie viele Menschen unsere Berichte berühren – auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Viele von Euch haben uns schon berichtet, wie wir sie motivieren ihre Träume mehr zu leben und für den einen oder anderen haben wir den Impuls gesetzt, die Dinge einfach zu tun, die bisher auf die lange Bank geschoben wurden. Wie zum Beispiel unser lieber Freund und Kollege Lothar, der sich ein Wohnmobil kaufte, motiviert und angespornt durch unsere ersten Reiseberichte aus Asien.

Oder andere Leser, die mit uns sehr berührende Gedanken teilen. Allein die Feedbacks zu unseren Berichten könnten einen eigenen Blogbeitrag füllen.

VON GANZEM HERZEN DANKE DAFÜR!!!!

In Nairobi besuchen wir noch die Wirkungsstätte von Karen Blixen. Chris erzählt uns, dass seine Werkstatt und die Lodge sogar innerhalb der Grenzen der ehemaligen Kaffeeplantage der berühmten Autorin („Jenseits von Afrika“) liegen.

Was für ein toller Gedanke hier zu sein – und der Kreis meiner Afrikageschichte begann ja mit den Worten „Ich hatte einen Traum von Afrika…“ Und nun könnte er hier enden. Der Kreis könnte sich schließen. – Und dabei liegen noch etwas 7 Wochen vor uns.

Ein weiterer Stopp in Kenia ist das Waisenhaus Nipe Tumaini 50 km nördlich von Nairobi, gegründet und geführt von den Kenianern Benson und seiner Frau. Den Kontakt bekommen wir über Holger, einem Deutschen, der in Kalifornien mit seiner Familie lebt. Ihn lernten wir 2018 auf dem „Burning Man Festival“ in der Wüste Nevadas kennen. Holger ist ein begnadeter Fotograf und ihm verdanke ich mein Profilfoto auf Facebook. Es wurde von ihm dort im Staubsturm aufgenommen. Holger berichtet uns begeistert von dem Projekt in Kenia.

Spannend finden wir dabei, dass Nachhaltigkeit und landwirtschaftliche Selbstversorgung einen großen Stellenwert einnehmen.

Eine für uns neue Frucht lernen wir hier bei Benson – dem Farmer – kennen: Die sehr schmackhafte Baumtomate.

Gerne geben wir auch hier eine Toothbush-Class direkt nach der Flaggenparade in den frühen Morgenstunden auf dem Schulgelände. Die Atmosphäre war unglaublich friedlich und das Engagement der Lehrer hat uns sehr gefallen.

Holger und seine Familie setzen sich sehr für die Vision des Waisenhauses ein und er drehte vor Ort einen tollen Trailer, den ich gerne hier teile: 

Danach geht es Richtung Grenze nach Uganda. Davor erleben wir beide unsere erste Äquatorüberquerung – nicht per Flugzeug, sondern mit unseren eigenen Motorrädern. Ein ganz besonderer, bewegender Moment für Rudolf und mich.

Am Äquator in Kenia

Hier seht ihr ein Interview und ein Experiment zur Corioliskraft:

Uganda ist unser achtes afrikanisches Land – und neben Malawi und Ruanda – eines meiner Favoriten dieser Reise. Wir erhoffen uns berauschende, landschaftliche Eindrücke und neben dem Besuch eines weiteren ITK-Alumni in Kampala stehd das Gorilla Trekking im Mgahinga-Nationalpark am Fuße der Virungavulkane ganz weit oben auf der ToDo-Liste. Nachdem wir bereits in der Serengeti Faunaerfahrungen der „besonderen Art“ machen durften, wollen wir hier dem Ganzen die Krone aufsetzen und auf den Spuren der bekannten Gorillaforscherin Dian Fossey wandeln (Filmtipp: „Gorillas im Nebel“).

Die Begegnung mit diesen Tieren zählt zu den innigsten Tiererfahrungen meines Lebens. Bis zu 50 cm nah durften wir 60 Minuten unter diesen fantastischen und friedlichen Kolossen verweilen. Wenngleich mit 600 Dollar pro Kopf ein sehr preisintensives Erlebnis – bin ich mir mit Rudolf einig, es war jeden Cent wert. Einmal im Leben diesen Tieren so unglaublich nah in freier Wildbahn zu sein … „Thank you Universe“ war mein Untertitel auf Facebook zu diesem Ereignis.

Eine der bewegendsten Tierbegegnungen in meinem Leben

Kampala, die Hauptstadt Ugandas ist einen weiteren Stopp wert. Auch hier folgen wir der Einladung eines ehemaligen Alumni aus Leipzig. Philip – der ehemaliger Hockey Nationalspieler Ugandas betreut und engagiert sich für Flüchtlingsfrauen aus umliegenden afrikanischen Ländern.

Er lädt uns ein, einen Workshop vor der besagten Flüchtlings-Frauen-Hockeymannschaft zu geben.

 

Die Interviews, die wir im Anschluss an den Unterricht mit den Frauen aus dem Südsudan bzw Ruanda in englischer Sprache aufzeichnen, berühren uns sehr. Die „Story of Life“ von diesen jungen Frauen zu hören und den Optimismus und den Willen zum Leben in den Worten zu spüren, sind ganz besondere Momente für uns in Kampala.

Die Stadt selbst bietet eher wenig für uns. Sie gleicht in vielen Dingen dem typischen Straßenbild afrikanischer Hauptstädte. Endlose Blechlawinen, Abgase und chronischer Verkehrsinfarkt.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Je ländlicher die Umgebung, desto wohler fühlen wir uns…

Abschliessend noch ein paar Eindrücke von Rudolfs Vorlieben in Afrika: Schokolade im Glas und anderen Menschen zu zeigen, wo die entscheidenen Schrauben locker sind ;-))

Jetzt hier diesen Blog schreibend – bereits in Ruanda mit Blick auf Kigali – genießen wir die unglaubliche Schönheit unserer einzigartigen Mutter Erde. Und darüber werden wir im nächsten Blog erzählen …

Ich möchte Afrika immer weiter in mir aufsaugen und all das, was ich hier schreibe werde ich mir später wieder lesen, wenn ich alt und grau irgendwo sitze und nicht mehr reisen kann. Dann werde ich mit Tränen in den Augen die Gewissheit haben, alle oder zumindest die meisten meiner Träume wirklich gelebt zu haben …

Hakuna Matata

Eure Jana & Euer Rudolf

6 Antworten auf „Wenn jemand eine Reise tut …“

  1. Ich wollte schon vor über einer Stunde ins Bett, aber dann habe ich doch noch wie gefesselt weitergelesen. Eure Bilder und Filme sind überwältigend. Ich liebe unter vielen anderen das Foto mit den dicken Strümpfen der Jungs. Überhaupt wundern mich die äußerst warm aussehenden Kleidungsstücke, die überwiegend von den Schulkindern getragen werden, während Ihr recht luftig bekleidet ausseht. Ich wünsche Euch weiterhin eine traumhafte Reise. Fühlt Euch gedrückt.

  2. Wunderschöner Bericht. Danke Euch Beiden! Meine Nacht wird jetzt zwar kurz…es ist fast 3 Uhr früh, aber ich könnte und wollte nicht aufhören zu schauen und zu lesen. Der Äquatortest hat mich sehr erheitert. Alles Liebe weiterhin und bleibt gesund….kriegt Ihr eigentlich in Afrika was von der Coronavirus-Hysterie mit?

  3. Liebe Jana, lieber Rudolf,
    ich bin jedesmal sehr beeindruckt und tief bewegt von Euren Reiseberichten und vor allem von den tollen Bildern.
    Speziell euer Engagement und Offenheit sind wirklich herausragend.
    Es kommt eben nicht nur darauf an wohin und mit was man fährt, sondern wie man den Menschen dort begegnet. Das macht Ihr wirklich fantastisch.
    Wünsche Euch noch viele tolle Erlebnisse auf dem Bike und mit den Menschen vor Ort und kommt gesund wieder heim.

    Lieben Gruß
    Stefan

  4. Liebe Jana, lieber Rudolf,
    mit Verspätung, dafür aber mit viel Zeit (!) habe ich eure Afrika-Eindrücke auf mich einwirken lassen. Ich habe die Berichte mehrmals gelesen, die Augen geschlossen……und da waren sie wieder: die rennenden Kinder mit den großen Augen und dem schönen Lachen…..die kleinen Hände, die die weiße Haut berühren möchten….die leuchtenden Farben der Kleider, die die Afrikanerinnen mit solch einer Eleganz tragen, daß keine Filmdiva mit einem Christian Dior Modell mithalten könnte…..
    All diese Szenen wurden wieder lebendig und meine absolute Vorliebe für den afrikanischen Kontinent……. Dafür danke ich euch von ganzem Herzen! Weiterhin alles Gute, 2 abrazos fuertes, Renate

  5. Lieber Rudolf,
    habe mich schon lange nicht mehr so fest gelesen und zugleich soviel Fernweh bekommen. Danke für Eure Eindrücke, die so erfrischend authentisch, offen und herzlich sind. Gute Reise weiterhin und unbekannte Grüße an Jana,
    Claus

  6. Liebe Jana,deine Mutti hat mir wieder alles zugesandt. Es ist soo ein toller Film geworden. Und die Gorillas… Wahnsinn….aber alles in allem, geht es richtig unter die Haut. Dann trotz allem wünsche ich euch eine gute Weiterfahrt. Bleibt gesund,das ist das wichtigste.lg Petra u Ute

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